Boykottieren die Medien die Linke?
Wahlen und Wahlprognosen sind die Ergebnisse für die Linke nicht hoffnungsvoll. Viele Mitglieder und RepräsentantInnen führen dies (auch) auf einen in letzter Zeit deutlich erkennbaren Medienboykott zurück. Wer sich die Mühe einer auch nur oberflächlichen Statistik macht, muss erkennen, dass dies stimmt: die Medien – und zwar alle – boykottieren tatsächlich und ganz offensichtlich die Partei DIE LINKE. Nur ein Beispiel: Acht bis neun von zehn Meldungen bei Deutschlandradio Kultur, die Parteimeinungen und -stellungnahmen zu unterschiedlichen Themen beinhalten, lassen – bei vollständiger Nennung aller anderen Positionen von Parteien im Bundestag – die Meinung der Linken weg. Darauf kann man wetten! Wenn es aber um die sog. Personalquerelen geht, dann berichten und kommentieren die Medien bereitwillig. Bei den Bürgerinnen und Bürgern kommt folglich nicht an, was die Linke zum Beispiel zur Schuldenkrise sagt und gleichzeitig wird das Bild einer völlig zerstrittenen Partei gemalt. Letzteres mit Unterstützung einiger Funktionäre selber. Deren Motivation zu solchem Tun wäre gesondert zu untersuchen.
Da alle Medien daran beteiligt sind, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Erstens die Linke macht schlechte Vorschläge und sie benimmt sich schlecht und die Medien tun ihre Pflicht, belästigen die Menschen nicht mit den dummen Absonderungen der Parteifunktionäre und zeichnen ein realistisches Bild einer zerstrittenen, unfähigen Partei. Oder aber die Linke macht die richtigen Vorschläge, die sich von den Vorschlägen der anderen Parteien deutlich unterscheiden und ihr Benehmen unterscheidet sich hingegen in Wirklichkeit nicht von dem anderer Parteien. Dann müssten die Medien entweder völlig verblödet oder korrupt sein.
Der „Erfolg“ der Politik der Steuersenkungen, Finanzmarktderegulierungen, des Sozialabbaus, des Ausverkaufs öffentlichen Eigentums, der Bankenrettungen, der Geldpolitik, der Deregulierung des Arbeitsmarkts, der Privatisierung des Gesundheits- und Bildungssystems sowie des Nah- und Fernverkehrs ist in Deutschland und Europa zu besichtigen: die Katastrophe ist überall sichtbar, Drittweltniveau oft nicht mehr weit. Beteiligt an dieser Politik waren alle Parteien im Parlament, außer der Linken. Die Linke kritisiert diese Entwicklung zu Recht und von Anfang an. Und ihre Vorschläge sind exakt gegen diese Politik gerichtet. Gegen eine Politik im Interesse der Reichen, der Kapitalbesitzer und Finanzmarktjongleure. Sie schlägt eine Politik im Interesse der Mehrheit vor, nicht nur der Mehrheit in Deutschland, auch der Mehrheit in Europa. Sie fordert, die Umverteilung von unten nach oben umzukehren, den Reichen zu nehmen, die Finanzmärkte zu regulieren und die Banken in Gemeineigentum und kleine Einheiten zu transformieren.
Damit geht sie ans Eingemachte. Damit ist sie gefährlich für die Eigentümer von Aktien, für die Spekulanten und die Profiteure der Privatisierung. Also soll sie so wenig wie möglich Gehör finden. Zu diesen Herrschaften (weiblich und männlich) vom Finanzadel gehören die großen Medienkonzerne. Deren Schreiberlinge singen das Lied ihrer Brotherren, mit oder ohne Überzeugung.
Wie reagiert darauf die Linke? Ist sie sich bewusst, dass sie sich zum Feind der Mächtigsten in unserem Land macht? Dass sie auf diesen Medienboykott nur höchstens mit wehleidigem Klagen reagiert, lässt die Vermutung zu, dass sie sich dessen nicht oder nur halb bewusst ist. Ist sie sich bewusst, dass es um mehr geht, als dass die Linke keinen Stich bekommen soll? Dass der High Society nicht nur sehr daran liegt, dass die Linke ihren Einfluss verliert, sondern auch daran, dass die Hintergründe ihres Handelns und das ihrer verschiedenen Regierungen im Dunkeln bleiben soll? Die Menschen sollen nicht verstehen, wie die finanzmarktgetriebene Ökonomie funktioniert, in wessen Interesse die Regierungen handeln, warum sie gerade das tun, was sie tun und vor allem, sie sollen nicht verstehen, dass es Alternativen gibt und welche das sein könnten. Die Linke wird also nicht nur deshalb boykottiert, weil in Deutschland der Antikommunismus immer schon die herrlichsten Blüten treibt und alle trifft, die sich links von der SPD verorten, sie wird boykottiert, weil sie die einzige Partei im Lande ist, die den Menschen die Wahrheit sagt über die Verhältnisse und wie man sie ändern könnte. Im Übrigen ist bei uns das Ansinnen der Veränderung der Verhältnisse ein Kapitalverbrechen, wenn es von unten kommt. Die Oberen dürfen sich ihr Land nach ihrem Nutzen jederzeit gestalten, das wird als objektive Notwendigkeit verkauft. Und wer verkauft es? Die Medien.
Die Linke sollte sich folglich weniger Sorgen darum machen, dass sie von den Konzernmedien boykottiert wird. Was nicht heißt, diesen Skandal nicht anzuprangern. Aber sie sollte sich dran machen, eine Strategie zu entwickeln, wie sie die Aufklärung über die Verhältnisse und die Möglichkeiten der Gegenwehr und der Veränderung unter die Leute bringt. Das kann nicht nur eine Aufgabe von Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi sein. Das muss sich die ganze Partei vornehmen. Dafür müssen die Mitglieder das selber verstanden haben und das erfordert innerparteiliche Bildungsarbeit.
Die Linke braucht eigene Zugänge zu den Menschen. Das Internet ist einer davon. Der alte Infostand ein anderer. Öffentliche Veranstaltungen kann man doch nicht auf die Landesverbände und die Stiftungen beschränken! Jede Basisorganisation müsste Veranstaltungen durchführen – auch ohne Promis, die die Welt erklären. Die Welt müssen alle erklären können. Und das geht! Ich habe in den Neunzigern in einem Frauenprojekt gearbeitet, wo wir Frauen aus sozialen Brennpunkten und aus der Sozialhilfe befähigen wollten, Umweltberatung für Frauen anzubieten. Es gab massig Zweifler an unserem Erfolg und wir selbst waren skeptisch. Aber der Erfolg war umwerfend. Frauen mit wenig Bildung haben sich das Wissen angeeignet, weil sie es für wichtig erachtet haben und sie haben die Kompetenzen entwickelt um zu beraten, besser als mancher Diplom-Biologe. Und was ganz wichtig ist: Die Motivation, an einem bedeutenden Projekt mitzuwirken, ist kaum zu überschätzen. Und das Projekt der Linken ist bedeutend.
Bleibt noch die Frage, warum die Journalisten und Redakteure der Öffentlich-Rechtlichen sich genauso verhalten wie die der Konzernmedien. Die Antworten sind wenig schmeichelhaft für die angeblich vierte Kraft in einer Demokratie. Es ist der Opportunismus, die Gleichgültigkeit, die selbst verschuldete Unmündigkeit, Desinteresse, Karrieredenken, Zeitmangel. Nicht zu vergessen mangelnde Bildung. Die Auswirkungen jahrzehntelanger verfehlter Bildungspolitik, das Jammertal der Hochschulen unter der Gleichschaltung durch „Bologna“, der grassierende Schwund von Allgemeinbildung zeigen sich überdeutlich in der Entwicklung des Journalismus in Deutschland.
Und das Wirken der Geheimdienste und ihrer Truppen, das wäre das nächste Kapitel. Da lohnt es sich mal bei Daniele Ganser nachzulesen: „Nato-Geheimarmeen in Europa – Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung“. Dort gibt es einiges zu lesen über das Wirken der Geheimdienste. Interessant übrigens das Kapitel zu Belgien. Die Anschläge der NSU sehen aus wie eine Blaupause der Anschläge in Belgien in den Achtzigern, damals inszeniert von Rechtsradikalen gemeinsam mit Nato-Geheimarmeen und den Geheimdiensten.
Weil es gerade um Griechenland geht, ein Zitat aus dem Buch (S. 340). Als die griechische Regierung sich in der Zypernfrage nicht den USA unterwerfen wollte, brüllte der damalige US-Präsident Lydon B. Johnson: „Dann hören Sie mir gut zu, Herr Botschafter, vergessen Sie ihr Parlament und Ihre Verfassung! Amerika ist ein Elefant. Zypern ist eine Fliege. Griechenland ist eine Fliege. Wenn die beiden Fliegen weiterhin den Elefanten jucken, dann könnten beide durch den Rüssel des Elefanten zerquetscht werden, endgültig zerquetscht!“ Und weiter: „Wir zahlen den Griechen eine ganze Menge guter Dollar (für ihren Geheimdienst und ihre Geheimarmeen. d. Verf.). Wenn ihr Premierminister mir etwas über Demokratie erzählen will, über das Parlament und die Verfassung, dann könnte es sein, dass er, sein Parlament und die Verfassung nicht lange überleben!“. In der Nacht vom 20. auf den 21. April 1967 – vor 45 Jahren – putschten die Generäle der griechischen Geheimarmeen unter Anleitung der NATO und der CIA.